Innovationsprojekt Klimaschutz
Klimaschutzprojekte mit besonderer Strahlkraft und besonders hohem Innovations-Niveau wurden und werden vom Land NRW als „Innovationsprojekt Klimschutz“ ausgezeichnet.

Projekte aus Kommunen und Unternehmen
Kommunen und Unternehmen sind für die Umsetzung von Energiewende und Klimaschutz wichtige Akteure. Vorbildliche Good-Practice Projekte von Städten und Gemeinden sowie von kleinen und größeren Unternehmen finden Sie hier.

Rückschau

Von September 2016 bis März 2019 wurde das EFRE-geförderte Projekt „Zwischenpräsentation der KlimaExpo.NRW – die MitmachExpo“ durchgeführt.

Dülmen, Nordrhein-Westfalen - 2020

Zwei Millionen Euro weniger Energiekosten: Becker Robotic punktet mit Vier-Komponenten-System aus Wärmepumpe, PV, Wind und Speicher

Innovationsprojekt Klimaschutz

Rund 90 Prozent des Jahresbedarfs an elektrischer Energie sollen beim Projekt vor Ort erzeugt werden und nie mehr als 100 Kilowatt (kW) Leistung aus dem Versorgungsnetz bezogen oder eingespeist werden. Das Energiekonzept kann als Vorbild für andere Gewerbegebiete genutzt werden.

Dieses Projekt wurde am 20. August 2020 von der EnergieAgentur.NRW im Auftrag des Landes NRW ausgezeichnet als "Innovationsprojekt Klimaschutz".

Die Becker GmbH wurde 1993 von Geschäftsführer Andries Broekhuijsen gegründet und beschäftigt derzeit etwa 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ende 2010 wurden erste Gespräche mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Münster geführt, um das Gelände der leerstehenden Kaserne Sankt Barbara zu erwerben. Mit dem Umzug auf das Gelände im Jahr 2018 hat Andries Broekhuijsen ein Energiekonzept ausgearbeitet mit dem Ziel, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und Energiekosten einzusparen. Dabei sollen rund 90 Prozent des Jahresbedarfs an elektrischer Energie vor Ort erzeugt werden und zu keinem Zeitpunkt mehr als 100 Kilowatt (kW) Leistung aus dem Versorgungsnetz bezogen oder eingespeist werden.

Ein wichtiger Teil der Firma Becker GmbH ist im ehemaligen Kraftwerk an der Heinrich-Leggewie-Straße 10 untergebracht. Das Kraftwerkgebäude wurde saniert und als Bürogebäude für Konstruktion, Vertrieb und Verwaltung umgebaut. In der neugebauten dahinterliegenden, etwa 5.000 Quadratmeter großen Produktionshalle werden unterschiedliche Werkzeugversorgungsleitungen produziert, die der Energieversorgung oder der Zuführung von Druckluft oder Kühlwasser von Industrie-Robotern dienen. Zusätzlich nutzt die Firma Becker an der Heinrich-Leggewie-Straße eine ehemalige Panzer- und Armeefahrzeug-Instandhaltungshalle mit Deckenkräne mit weiteren 1.000 Quadratmetern Fläche für die Montage der Leitungspakete auf den Kunden-Robotern.

Eine weitere Umnutzung eines sogenannten Schleppdachs für Armee-Fahrzeuge in eine weitere Roboterlogistikhalle mit 3.000 m² ist in Planung. Das Dach soll als Glasdach mit integrierter Photovoltaik ausgeführt werden. Weitere Gebäude- und Unterstellflächen sind fremdvermietet; eine Tierarztpraxis, eine Herberge mit einem gänzlich neuen Konzept, eine Fahrschule, der Kreis Coesfeld sowie weitere Gewerbetreibenden haben sich hier niedergelassen. Innerhalb von wenigen Jahren ist aus einer brachliegenden alten Kaserne ein blühendes Gewerbegebiet (30 ha.) geworden, rein basierend auf privater Initiative und komplett privater Umsetzung. Auch das interne Straßennetz mit Beleuchtung und Entwässerung ist rein privat organisiert und verwaltet.

Der Strombedarf der Becker GmbH und der ansässigen Unternehmen beläuft sich jährlich auf rund 350 Megawattstunden (MWh). Neben den Produktionsprozessen, der EDV und der Beleuchtung werden damit auch E-Gabelstapler betrieben. Alleine 175 MWh werden von der elektrisch angetriebenen Wärmepumpe zur Klimatisierung der großräumigen Flächen benötigt. Diese reversible Luft-Wasser-Wärmepumpe kann eine Heizleistung von 135 kW und eine Kühlleistung von 176 kW aufbringen, wobei lediglich max. 42 kW für die elektrische Versorgung benötigt werden. Zur verbesserten Regulierung sind ein 2.000-Liter-Wärmespeicher und ein 2000-Liter-Kältespeicher an das System angeschlossen. Lastspitzen in den Wärmeanforderungen, wie sie vor allem im Winter auftreten können, werden bei Bedarf über einen zusätzlichen Gasbrennwertkessel mit einer Heizleistung von 310 kW kompensiert. Das System temperiert das Bürogebäude über eine klassische Fußbodenheizung und die Produktionshalle durch eine umweltschonende Betonkernaktivierung. „Wir sind begeistert von dem Ergebnis. Die Luft ist weitaus besser als die von herkömmlichen Klimaanlagen, denn die ist oft viel zu trocken und macht krank."

Ein großer Anteil des Strombedarfs soll durch Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Auf dem Hallendach sind bereits PV-Anlagen mit 260 Kilowatt Peak (kWp) installiert. Weitere Anlagen werden aktuell errichtet und erhöhen die Gesamtkapazität dann auf 396 kWp. Dadurch können jährlich 345 MWh an elektrischer Energie erzeugt werden.

Eine Zwischenspeicherung in Zeiträumen mit Stromüberschuss erfolgt durch im UG installierte Batteriespeicher. Die Speicherkapazität wird von vier Commercial 40-40 und zwei Commercial 50-140 Speichern bereitgestellt. Der Großteil der Speicher wurde bereits in Betrieb genommen, alle Systeme wurden parallel mit den PV-Anlagen installiert. Dadurch ergeben sich insgesamt 440 kWh an nutzbarer Gesamtspeicherkapazität. Durch die Zwischenspeicherung kann somit nicht nur das angeschlossene Netz entlastet werden, es lassen sich auch Energiekosten einsparen. Noch in Planung ist eine Kleinwindenergieanlage (KWEA) mit einer Gesamthöhe von 50 Metern. „Wir standen bei der Errichtung der Windenergieanlage vor unerwarteten Problemen: Es gibt fast keine Firmen mehr, die Windenergieanlagen in der Größe 50-100 kW herstellen. Wir haben nur zwei Hersteller gefunden, die haben beide ihren Sitz in Italien. Wir haben auf eine Kleinwind-Energieanlage gesetzt, weil diese Art von Anlagen nicht unter das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) fallen. Zwar mussten wir dennoch einige Untersuchungen zum Lärmschutz, Schattenwurf und ökologischen Faktoren veranlassen, aber die waren weniger aufwändig als die Vorschriften gemäß BImSchG“, erklärt Broekhuijsen. Zur Auswahl stand eine 3-blättrige Anlage mit 60 kW und eine 2-blättrige Anlage mit 99,5 kW Nennleistung. Die Entscheidung fiel letztendlich auf die 2-blättrige Anlage der Firma ESPE. Ein bauamtlicher Vorbescheid liegt vor. Der geschätzte Jahresertrag der ESPE-KWEA liegt bei 225 MWh. Die Anlage ist eine ideale Ergänzung zu den bestehenden Photovoltaikanlagen, da vorwiegend in den sonnenschwachen Herbst- und Wintermonaten und häufig auch in der Nacht ein erhöhtes Windaufkommen gegeben ist. Dadurch glätten sich die Lastspitzen in der Erzeugung, wodurch wiederum die Batteriespeicher entlastet werden können und der Grad an Energieautarkie wächst. 
 
Mit 345 MWh aus den Photovoltaikanlagen und 225 MWh aus der Kleinwindenergieanlage summiert sich die erzeugte elektrische Energie auf 570 MWh pro Jahr. Der Bedarf hingegen liegt lediglich bei 350 MWh pro Jahr.

In wind- und sonnenschwachen Zeiträumen, in denen zusätzlich die Batteriespeicher leergefahren sind, müssen weiterhin 30 MWh pro Jahr aus dem Versorgungsnetz bezogen werden. Dies entspricht nicht einmal 10 Prozent des Jahresverbrauchs und kann aufgrund des Energiekonzeptes mit Wärme- und Batteriespeicher so gering gehalten werden. Gleichzeitig können 250 MWh jährlich eingespeist werden.

Mit seinem Energiekonzept will Andries Broekhuijsen nicht nur Geld sparen, sondern auch für die Zukunft vorsorgen: „Solch eine Hitze, wie es die in den letzten Jahren gab, kennt man aus der Jugend nicht. Es ist unheimlich, dass das jetzt passiert.“ In seinem Betrieb mit rund 100 Beschäftigten, den er vor 27 Jahren als Ein-Mann-Firma gegründet hat, will er in den nächsten 20 Jahren 7.400 Tonnen CO2 einsparen. Dies ergibt sich aus dem Produkt von 570 MWh pro Jahr mit jeweils 0,65 eingesparter Tonne CO2 pro MWh über den gesamten Zeitraum von 20 Jahren. Sein Unternehmen ist in dem neuen Gewerbegebiet das Vorzeigeobjekt. Mit den vier Komponenten Wärmepumpe, Photovoltaik, Windenergie und Speicheranlagen spart er pro Jahr rund 110.000 Euro an Energiekosten, die sich über einen Zeitraum von 20 Jahren zu über zwei Millionen Euro summieren. In diesem Zeitraum hat er die ursprünglichen Investitionskosten von 800.000 Euro mehr als gedeckt und fragt sich heute: „Warum macht das nicht jeder?“

Die Umsetzung des Energiekonzeptes ist für jedes Unternehmen bedeutsam und nachahmenswert, wobei Anlagengröße und Höhe der Investitionskosten an die entsprechende Unternehmensgröße angepasst werden können.

Veröffentlichung

Stand: 2020
Start: 2018
Laufzeit: 2018 - 2020

Standort

Kreis: Coesfeld
Region: Münsterland
Reg.-Bez.: Münster

Kontakt

Becker GmbH – Robot Equipment Automotive
Andries Broekuijsen    
Geschäftsführer
Heinrich-Leggewie-Straße 10    
48249 Dülmen    
Tel.: 02594 94640